18. Mai 1958 – Die dunkelste Stunde des RCB

1958.05.23 Bruder von Gaston Moser

Es ist Sonntag, ein herrlicher Frühlingstag, ein Autounfall auf dem Weg zum Aarburger Flussrudern fordert das Leben von drei jungen Regattierenden: Gerhard Gfeller (1940), Bruno Hänni (1940), Gaston Moser (1941).

1958.04.26 Regattierende unterschreiben Trainingsverpflichtung: Christian Oesch, Gerhard Gfeller, Robert Kull, Gaston Moser, Bruno Hänni

Am 26. April hatten sie noch zusammen mit Christian Oesch und Robert Kull die Trainingsverpflichtung unterschrieben. Das Aarburger Flussrudern wurde in jenem Jahr abgesagt. Gusti Paris, Ehrenmitglied und Grabsteinbildhauer, stiftete die Grabsteine für die Verstorbenen.

Gedenkrede für Gerhard Gfeller, Bruno Hänni und Gaston Moser, im Krematorium Bern, am 22. Mai 1958:

Verehrte Trauerfamilien, liebe Eltern und Geschwistern, liebe Trauergemeinde.

Unfassliches, Unbegreifliches ist geschehen. Ein Schicksal, das wir nicht zu deuten vermögen, gegen das Herz und Verstand sich auflehnen, hat drei Leben ein Ende gesetzt, die erst zu blühen begannen. Auf frohgemuter Fahrt erfüllte sich das Los dreier blutjunger Menschen, die sich auf den schönen Tag freuten und freuen durften, der ihr letzter werden sollte…

Sie freuten sich, weil sie von diesem Tag im Kreise gleichaltriger und gleichgesinnter Kameraden ein Erlebnis erwarteten, das ihnen das beglückende Bewusstsein ihrer gesunden Kraft, ihrer jugendlichen Begeisterungsfähigkeit, ihrer erwachenden Lebensfreude schenken würde.

Sie durften sich auf diesen Tag freuen, weil sie sich darauf geistig und körperlich vorbereitet hatten. Und darum war ihre Fahrt auch eine frohgemute. Aber, sie führte die Jünglinge nicht an das Ziel ihrer Wünsche, – sie führte sie, ohne dass sie die Zeit gehabt hätten, ihr bevorstehendes gewaltsames Ende auch nur zu ahnen, in den Tod. Ihre letzten Lebenssekunden bleiben auf ewig Geheimnis.

Offen aber und ohne Schatten liegt ihr allzu kurzes Leben vor uns. Freude an körperlicher Betätigung, ein gesunder Drang, die Kräfte zu messen und die Begeisterung für den Rudersport brachte sie, kaum der Schule entwachsen, in unsere Reihen. Dem Rowing Club widmeten sie fortan ihre freie Zeit, – und mehr: sie schenkten ihm das Beste ihrer selbst. Im Kreise von Ruderkameraden gleichen Alters und älteren, wuchsen sie zu jungen Männern heran, gesund an Körper und Geist, fröhlich und unbeschwert, wenn die Stunde Geselligkeit bescherte, ernst und zielbewusst, wenn die Arbeit es forderte. Sie wuchsen mit den Wochen und Monaten über sich hinaus und in jene Kameradschaft hinein, die seit jeher die Ruderer auszeichnet. Sie sassen bildlich gesprochen und tatsächlich im gleichen Boot und durften das von mal zu mal grösser und stärker werdende beglückende Gefühl der Zusammengehörigkeit, der gemeinsamen Anstrengung, der freiwillig übernommenen Hingabe an das gleiche Ziel erleben. In Dutzenden von Fahrten auf unserem See wuchsen sie zur Mannschaft heran, jeder dem andern, jeder dem Ganzen verpflichtet.

Der Rudersport ist ein unbestechlicher, grosser Erzieher. Er weckt und entwickelt nicht zuletzt eine Geisteshaltung, die über den Sport hinaus im Leben bestimmend ist: die Achtung vor der Leistung des andern. Und er weist zu einer andern Eigenschaft, die jedem Mann, vor allem aber dem Starken und Stärkeren gut ansteht: zur Bescheidenheit. Diese Eigenschaften begannen auch bei unsern verstorbenen Kameraden sichtbar zu werden. Ihre geistige und körperliche Entwicklung erfüllte uns mit Stolz und Freude, wir sahen eine Mannschaft, eben eine Gemeinschaft von Männern heranwachsen. Unsere Freude war ungetrübt, – grösser als sie ist nur unser Schmerz. Denn auch wir haben viel verloren.

Aber unser Dasein erschöpft sich nicht im Sport, den wir nie als Selbstzweck betrieben und auch nie nur seiner selbst willen pflegen werden. Das Gute, das ihm innewohnt, soll seinen Ausdruck auch im viel wichtigeren alltäglichen, beruflichen Leben finden. Und hier durften Eltern, Lehrer und Arbeitgeber grosse Hoffnungen hegen.

Die jungen Ruderer Gerhard Gfeller, Bruno Hänni und Gaston Moser gereichten nicht nur uns zur Freude, sie stellten ihren Mann auch in der Lehre, an der Werkbank, im Unterricht. Das Rudern war ihnen Erholung, Spiel und Ausgleich, – ihr zukünftiger Beruf aber, auf den sie sich gewissenhaft vorbereiteten, war ihnen Lebensaufgabe und Verpflichtung.

Durch meinen Mund wollen Vorsteher und Lehrerschaft der städtischen Gewerbeschule den Verstorbenen an dieser Stelle bezeugen, dass die Schule um drei vielversprechende, beliebte und für ihre menschlichen und beruflichen Qualitäten geschätzte Schüler trauert, denen sie das beste Andenken bewahren wird.

Unsere Trauer gilt aber nicht nur den Sportlern und kommenden Berufsleuten, sie gilt auch den heranreifenden Staatsbürgern. Von seinem Schmerzenslager aus spricht auch der ebenfalls auf offener Landstrasse schwer verunglückte Kommandant der dritten Division, Oberstdivisionär Karl Brunner, hier vertreten durch einen Stabsoffizier, sein Beileid aus.

Gerhard Gfeller, Bruno Hänni und Gaston Moser gehörten zu uns, so wie wir uns zu ihnen bekannten und heute zu ihren schwer geprüften Eltern und Geschwistern bekennen. Der Rowing Club Bern hat drei junge Mitglieder verloren. Eine prächtige Mannschaft hat aufgehört zu sein, eine Gemeinschaft froher junger Menschen ist aufgelöst. Das ist schmerzhaft, – aber wir alle haben viel mehr verloren: drei Menschenleben.

Was die Eltern und Geschwister, die Angehörigen verloren haben, das können wir nur ahnen. An unserem Schmerz können wir ihr tiefes Leid und Weh ermessen. Worte verlieren hier ihren Sinn, wir können nichts anderes tun, als uns vor dem namenlosen Unglück zu verneigen, das auch uns zu Herzen geht. Von unsern lieben Kameraden, die nun hier Seite an Seite, den ewigen Schlummer schlafend, von jedem Schmerz und jedem Leid befreit sind, nimmt der Rowing Club Bern tief bewegt Abschied mit einem feierlichen Versprechen: Sie nicht zu vergessen, die Erinnerung an Sie nicht verblassen zu lassen.

Liebe Kameraden Gerhard, Gaston und Bruno, – die Erde sei euch leicht.