„Damenrudern“

In den 1930er Jahren hatte der RCB eine „Damensektion“

1926 – sieben Jahre nach der Gründung – setzte man sich im RCB mit der Frage auseinander, ob man Damenrudern einführen solle. Ein erstes Mal lehnte man die Idee aufgrund der „schlechten Wasserverhältnisse ab“ – immerhin ruderte man noch die 2 bis 3 Kilometer vor der Gassner Brauerei rauf und runter. Im Folgejahr wurde das Thema wieder diskutiert, doch eine Mehrheit der Mitglieder lehnte noch immer die Gründung eines Damenruderclubs ab.

Tatsächlich befanden sich laut Fahrtenbuch ab 1929 ganz offiziell Damen in den Ruderbooten: 1929 die „Frl.“ Mende und Stirnemann (7km bzw. 5km); 1930 die „Frl.“ Affolter und Stirnemann mit 10km, Mende mit 6km, Zimmermann mit 4km; 1931 die „Frl.“ Waelchli mit 9km und Maeder mit 8km.

1933 – der RCB war inzwischen am Wohlensee angekommen – siegte schliesslich die Macht des Faktischen: Auf ein Inserat für einen Gratis-Ruder-Kurs meldeten sich drei Herren und drei Damen. Der Vorstand beschloss, den Damen die Teilnahme versuchsweise zu gestatten und siehe da: „Alle sind von unserem Sport begeistert und wünschen nun definitiv dem Club beizutreten.“ Da wie immer Geldmangel herrschte und man sich ausrechnete, durch die Einrichtung einer Damen-Sektion die Einnahmen des Clubs erweitern zu können, beschloss der Vorstand, die Damen gegen ein Entgelt – es werden 5 bis 6 Franken genannt – weiterrudern zu lassen und auf den 18. August 1933 eine ausserordentliche GV einzuberufen. „Sie sehen aus den vorliegenden Anträgen, dass es überaus wichtige Traktanden sind, die zur Sprache kommen werden. Tiefgreifende Änderungen, die das Clubleben wesentlich beeinflussen werden, sind vorgesehen. Es ist im Interesse des Clubs, dass derart wichtige Fragen möglichst von der Gesamtheit der Mitglieder besprochen werden. Der Vorstand erachtet es deshalb als selbstverständlich, dass alle, die nicht durch wichtige Gründe verhindert sind, an der Versammlung teilnehmen.“

An der GV setzten sich Präsident, Kassier und Ruderchef eingehend mit den sportlichen und finanziellen Auswirkungen der Gründung einer Damensektion auseinander und wiesen dabei auf die „im Ruderkurs zu Tage getretene gute Abwicklung des Betriebes und die grosse sportliche Auffassung der Damen“ hin. Daraufhin ergab sich eine rege Diskussion, in deren Verlauf der Vorschlag die Sympathie der Anwesenden für dieses Anliegen gewann und Artikel 8 der Statuten geändert wurde: Der Mitgliederbeitrag für Damen wurde auf 6 Franken pro Monat festgelegt (Herren zahlten 7 Franken). Sieben Damen ersuchten um Aufnahme, sie wurden „in globo“ aufgenommen.

Ende 1933 berichtet Hans Schmutz, langjähriger Präsident, in den RCB-Nachrichten:

«Die Gründung der Damensektion ist seinerzeit nicht überall mit frenetischem Jubel begrüsst worden. Es scheint mir zuweilen, als hätten einige unserer Ruderer das Gefühl, nicht mehr so ganz ungeniert unter sich zu sein, und als ob es ihnen deshalb gelegentlich etwas schwer fallen würde, sich eines korrekten Verhaltens den Damen gegenüber zu befleissen. Ich möchte um Gotteswillen hier nicht eine Anstandslehre einflechten. Ein Ruderer wird gewiss seinen Knigge kennen. Dass man beim Grüssen die Cigarette aus dem Gesicht nimmt und nicht nur lässig mit zwei Fingern an den Hutrand tippt, zumal wenn man eine Dame grüsst (…)

Um nun bei unseren aktiven Damen zu bleiben, glaube ich behaupten zu dürfen, dass wir die Gründung dieser neuen Sektion nicht zu bedauern haben. Die Bedenken, die sich vor Einführung dieser Neuerung geregt hatten und die auch dem Vorstand zu mehreren Sitzungen Anlass gegeben haben, waren mehr gefühlsmässiger Natur und psychologisch zum Teil durchaus verständlich. Praktisch hat es sich nun erwiesen, dass sich der Ruderbetrieb auch unter aktiver Beteiligung der Damenwelt ohne Störung durchführen lässt. Unsere Rudergirls sind ja so bescheiden. Sie warten geduldig, bis die Herren in Mannschaften eingeteilt sind und nehmen gerne Vorlieb mit den verbleibenden Booten. Und welche Freude war es für sie immer, wenn sie mit unserer neusten Yole-de-mer oder im Achter aufs Wasser durften.

Und dann (…) dann bin ich ja der Trainer unserer Damensektion. Ha, ha, ha, jetzt ist das Lachen wohl an mir. Jawohl, Damentrainer! Feines Amt, was? Platzen Sie ruhig vor Neid, meine Herren, denn ohne jede Ironie: Es ist ein schönes Amt. Die Damen sind charmant, reizend, bestrickend und, was hier wertvoller ist, aufmerksam bei der Instruktion, sie geben sich ehrlich Mühe etwas zu lernen und haben vor Allem eine hohe Auffassung von unserem Sport. So ist es nicht schwer, etwas zu erreichen, und wir haben denn auch schon eine Anzahl Damen, deren Ruderstil sich sehen lassen darf. (…)

Es ist ganz amüsant, was ich alles dieser, «meiner» Damen wegen zu hören bekomme. Beim letzten Herrenabend ungefähr hat es angefangen. (…) seither tönt es ab und zu: ‹Hausi, wie geht’s deinen Ruderschätzchen› und ähnlich. Ich komme zum Beispiel ahnungslos nach Luzern. Freundliche Begrüssung: ‹Tag, Herr Schmutz, Sie sollen, wie die Sage geht, Trainer der Damensektion sein.› Oder in Basel: ‹Salut, alte Tranlampe, darf ich Dir meine Glückwünsche entbieten?›»

Zunächst nur mit einem einzigen Boot bestückt, konnte 1934 dank Sammlung ein zweites angeschafft werden. Im selben Jahr beteiligte sich ein „Damenboot“ an der Regatta in Zürich und an der Herbstregatta in Thun siegten die „Damen Keller, Degenhardt, Ellenberger, Hufschmid, Schorch (cox)“ im Stilruderwettbewerb.

Im Wintertraining in der Turnhalle waren die Damen besonders aktiv. Von den Männern seien nur jeweils vier bis sechs dabei, von den zehn Damen-Mitgliedern dagegen jeweils sieben bis acht, heisst es missbilligend.

Und dann? Liest man nichts mehr… Im Informationsblatt des RCB vom 1980 berichtet Verena Geisler über die Damensektion, dass diese kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs still und ruhig aufgelöst wurde. Abgänge und Heiraten seien wohl der Grund dafür gewesen. So wird berichtet, dass der damalige Cheftrainer es wenig geschätzt habe, dass es zu Tändeleien zwischen männlichen und weiblichen Clubmitgliedern gekommen sei.

Kurt Maritz schreibt 1994 («Notizen zuhanden des 75. Jubiläums des RCB»), dass sich die Damensektion nur gegen erheblichen Widerstand mit einer knappen Mehrheit durchsetzte. Mangels Damengarderoben konnte sie nur an einem Abend (Dienstag) und, beschränkt, Samstag/Sonntag trainieren. Der Anfangserfolg habe bald abgenommen. Auch er erinnert sich, dass mindestens «zwei der RCB-Damen sich im RCB ihren Ehemann fischten».

Natürlicher Abgang, zeitbedingte Ausdünnung oder gezielte Verdrängung? Eine detalllierte Durchsicht der damaligen Fahrtenbücher legt eine klare Antwort nahe: 1933 ruderten 10 Damen 1535km; 1934 waren es 14 Damen mit 2726 km; 1935 10 Damen mit 1618km und dann? 1936 ist eine Ausfahrt von 9km und 4-mal ein «Frl.» oder eine «Frau» am Steuer registriert – in der Jahresschlusszählung wird das aber nichteinmal aufgeführt. 1937 durften «Frl.» bzw. «Frau» noch 5-mal coxen, ab 1938 wird keine einzige Frau mehr im Fahrtenbuch aufgeführt. Dafür werden neu «Schülerkurse», ein Steckenpferd von Trainer Otto Scherer, eingeführt und separat ausgewiesen.

1933-34 Damen in Ausgehuniform: Bollinger, Trude Hufschmid, Deli Degenhard
1933-34 Paris, Paris jun, Hufschmid, Erika Schoch, Osgi Eggenberger, Vreni, Heidi Fahrni, Hufschmid I u. II, Deli Degenhardt
1934ca. Damensektion
1934ca. Ruderkasten: Hans Schmutz, «Chrütli»
1934ca. Damensektion
1934 Damensektion: Erika Schoch, Adele Degenhard, Rosa Drillinger, Trude Hufschmid mit Gast
1933-34 Damensektion: Adele Degenhardt, Trudi Hufschmid, Hedy Ellenberger, Eggenberg, Bollinger
1933-34